05.03.2008

#21 (wochentage, farbige wände)

auf der berlinale sah ich koji wakamatsus film „ecstasy of the angels“ an einem späten abend und war schon etwas müde, die augen etwas abgenutzt, und es war schön, sich von den bildern, vom free jazz treiben zu lassen.
die kämpfer, die dieser film zeigt, werden nach wochentagen, monaten und jahreszeiten benannt. sie haben keine anderen namen als montag, februar oder herbst, namen die, wie man es im laufe des films erfährt, einen platz in einer hierarchie bezeichnen. außer einem überfall auf eine militärbasis am anfang des films sehen wir diese kämpfer hauptsächlich in wohnungen. mal ist es tag, mal nacht, oft ist die tageszeit unbestimmt. es gibt (mindestens) 4 wohnungen, in denen sie sich treffen. in diesen wohnungen reden sie, streiten, haben sex, zerfleischen sich. in der erinnerung scheint es mir wie eine willkürliche kombinatorik, wer mit wem in welcher wohnung sich aufhält, wer auf wem liegt. die intrige könnte man so zusammenfassen: die gruppe um herbsts oktober ist gescheitert, weigert sich jedoch die teuer erkämpften waffen (und den kampf) an winters februar zu übergeben und widerspricht der strengen regel der ungebundenheit des kämpfers. herbst ist übrigens eine frau und empfängt im bett, nackte haut gegen nackte haut. ab und an gibt es auch einige straßenbilder: eine bombe wird geworfen. eine der wohnungen wird zwischendurch verlassen und gesprengt

eine woche später sah ich „rote sonne“.
die kämpferinnen in diesem film heißen peggy, sylvie, christine und isolde. sie teilen sich eine wg, die der zentrale ort im film ist. sie haben berufe, also vermutlich auch arbeitszeiten, doch sie scheinen sich wenig um tag und nacht zu scheren. der film und ihr alltag fließt am tag-nacht-rhythmus gleichgültig vorbei. es gibt in der wg eine küche, ein bad und 4 schlafzimmer. jedes schlafzimmer hat seine wandfarbe: rot, blau, grün, gelb. die zimmer sind nicht zugeordnet, jede mitbewohnerin benutzt abwechselnd jedes zimmer. so sehen wir sie abwechselnd in den verschiedenen zimmern, schlafend, frühstückend, redend, bomben bastelnd. ihre aktivitäten in dieser wg sind von tageszeit und raum losgekoppelt. die intrige könnte man so zusammenfassen: sympathie und gefühle aus einer früheren welt (in der gestalt von thomas, des ehemaligen freundes peggys) stellen die strengen regeln der gefühlslosigkeit und ungebundenheit in frage. es werden bomben gebastelt, es gibt eine probeexplosion, doch der ernste anschlag scheitert. schusswaffen werden dahingegen großzügig eingesetzt.

die namen im ersten film bezeichnen plätze in einer hierarchie, austauschbare plätze und finden ihre entsprechung in den wandfarben der wgzimmer. mir gefiel die einfachkeit dieser zeichen. eine wandfarbe, ein wochentag. diese farben empfand ich als dieselben farben mit denen, im kindergarten in dem ich einige vergessene jahre verbracht habe, die unterschiedlichen klassen bezeichnet wurden. die orangen waren in diesem system die älteren.
farben, wochentage: schöne einfachheit. und doch bezeichnet sie den verzicht, den die helden beider filme nicht halten können, den verzicht auf einen namen, auf einen eigenen raum. sie führen die utopie der selbstaufgabe des kämpfers als revolutionnäres kinderspiel vor.


tenshi no kokotsu (ecstasy of the angels), japan 1972 (koji wakamatsu)
rote sonne, brd 1970 (rudolf thomé)

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