22.02.2008

#20 (zug, landschaft)

gesichter von kindern und erwachsenen
das rattern eines zuges
badamm, badamm
menschen an fensterscheiben
ein blick in ein abteil
die schwankende kamera, im rhythmus des zuges die gesichter erfassend
badamm, badamm
das rattern wie ein herzklopfen
das schweben der kamera auf diesem rhythmus, wie wenn man durch einen fahrenden zug läuft und durch das schwanken auf den schienen zu kurzen stillständen und kleinen beschleunigungen gezwungen wird, zu ausschweifenden oder angehaltenen bewegungen, zu einen trunkenen gang.

ein tunnel
johann sebastian bach – herr, unser herrscher
bewaldete täler, hinter den im vordergrund vorbeieilenden schatten, die wir als bäume interpretieren
plötzlich das meer
menschen an fensterscheiben
ein weiblicher kopf, ein kleines mädchen
eine dunkle ernsthaftigkeit umrahmt von dem im gegenlicht leuchtenden haar
das rattern des zuges, ununterbrochen
pulsierendes licht
im schweben der zugfahrt

ein zweiter tunnel
das licht
an seinem ende
blendendes licht
es schluckt das bild
ende


verj (конец) (end), armenien 1994 (artavazd pelechian)

19.02.2008

#19 (landschaft, zug)

ein zug ist eine in bewegung gesetzte masse aus metall, die entweder das bild durchquert, sich also zwischen zwei ausschnitten des bildrandes erstreckt, als gleichmäßiger streifen oder durch die perspektive verzerrt. oder aus einem punkt im bild herausragt / in einen punkt verschwindet (der unbestimmte fluchtpunkt), in welchem fall die perspektivische verzerrung die größte ist.
die dynamik dieser verzerrung bleibt unfassbar. ein kontinuum verbindet die hochgeschwindigkeit des vorbeiratternden wagons im vordergrund (des breiten streifens am bildrand) mit der langsamkeit (trägheit), letztendlich dem stillstand am utopischen fluchtpunkt. ein kontinuum muss sie verbinden, und doch sieht man nur das eine oder das andere. die geschwindigkeit, der stillstand. das paradox bleibt für die augen unlösbar, verstörend: geschwindigkeit des in den stillstand rauschenden / des aus dem stillstand rauschenden.

nachdem der zug durchgefahren ist, hinterlässt er in manchen einstellungen (die bedingungen dafür sind mir unklar: bloß die geschwindigkeit?) ein echo: hartnäckiges und doch nicht nachweisbares zurückweichen der schienen oder zurückdrehen der kamera. als wäre die kamera von einem den zugwind ausgleichenden gegenzug gefasst. eine bewegung des stillstandes nach dem ausbleiben des zuges.
(der zug kann hier als bloßer vektor verstanden werden, eine masse und eine richtung, oder farbe und eine richtung, eine sichtbare zugkraft. der zug als aufwirbelnder vektor, die landschaft von ihm durchzogen, deformiert)

einige reifen liegen auf dem sandboden, zwischen mickrigem gestrüpp.
dahinter ein windmühlenwald. wenn ich mich recht entsinne, sind es windmühlen von zwei unterschiedlichen typen, mit zwei- und dreiblattrotoren.
und weiter dahinter noch: ein berg.
ein langsamer zug fährt von links ein, vor den windmühlen, hinter den reifen. die container auf diesem zug sind einfach oder doppelt gestapelt auf breiten wagons, die große abstände zwischen den containern lassen. der zug bremst. das anhalten eines zuges ist ein mühsames unterfangen, ein quietschendes und ratterndes. der zug hält an. steht still. bleibt im bild. die windmühlen wirbeln unbetroffen weiter.


rr, usa 2007 (james benning)