23.02.2007

#3

sie stickt. ein großes B, loorbeerzweige. aus dem off das läuten einer uhr. es ist 4. sie blickt auf, steht mit ihrem werk in der hand auf, geht aus dem zimmer, geht bis zum ende des gangs, ruft die treppe herunter, der tee solle dem herrn gebracht werden, geht den gang zurück. der gang ist auf der einen seite offen und führt um das erste stockwerk eines innenhofs. links die türen zu den zimmern, rechts das geländer. vogelgeschnatter aus dem off, sie blickt überrascht auf, scheucht die vögel. sie kehrt in das zimmer zurück, nimmt das taschentuch aus dem rahmen, setzt sich auf das bett, mit dem rücken gegen eine säule des baldachins am fussende gelehnt. aus dem off erklingt die stimme eines strassenverkäufers. sie greift nach einem buch, das auf dem bett lag, blättert im buch, steht mit dem buch in der hand auf. sie verlässt das zimmer, geht zur bibliothek. das mitgenommene buch wird eingeräumt. ihre hand streift über bücherrücken. sie fängt an zu singen. die hand nimmt ein buch aus der bibliothek. nun sehen wir ihr gesicht, erst durch das glas der offenen schranktür, dann wird die tür geschlossen. sie blickt nach unten auf das buch. leichte schnelle trommelschläge aus dem off. sie blickt überlegen nach links, blickt auf das aufgeschlagene buch zurück. sie lässt die offene seite nicht mehr aus dem blick, summt ihr lied im rhythmus der trommel weiter, dreht sich um und die kamera (und wir) lassen ihren nacken nicht aus dem blick. mit langsamen schritten, summend, den blick auf ihr buch nähert sie sich dem fenster. in ihren schritten neugierde, in ihrem summen gleichgültigkeit. oder eher: den augenblick der ungewissheit genießend. (ihn dehnend in poetischer lektüre). sie klappt die jalousien auf, sieht auf der strasse einen mann mit zwei tieren an der leine, der mit langen dünnen stäben den rhythmus schlägt. sie klappt die jalousien wieder zu, verlässt mit etwas schnelleren schritten den raum, läuft den flur lang, geht in das zimmer, wirft das buch auf das bett, holt aus dem sekretär ein fernglas. sie läuft zurück, den gang entlang. ihre schritte scheinen sich beschleunigt zu haben. die kamera gleitet die balustrade entlang. die waagerechten streifen ihres saris werden an einer stelle, da wo der gefaltene stoff hängt, durch senkrechte streifen unterbrochen. vor dem stoff baumelt die linke hand mit dem fernrohr, davor schnellen die stäbe der balustrade den bildschirm entlang, von rechts nach links, da sie sich von links nach rechts bewegt. dann ist sie wieder am fenster. durch das fernrohr erkennt man, dass der mann 2 affen mit sich führt. den rhythmus erzeugt er nicht mit seinen stäben sondern mit einer kleinen doppelseitigen trommel, an der mit fäden 2 steine angebracht wurden, die durch rhythmisches drehen der hand abwechselnd auf beide seiten der trommel schlagen. aber der mann ist schon dabei sich umzudrehen, bald ist er weg und das trommeln hört auf. links aus dem off erklingt eine rhythmische litanei. sie blickt nach links, geht zum nächsten fenster, klappt dessen jalousien auf und sieht 4 träger mit einer senfte durch das feld ihres fernrohrs laufen, danach in entgegengesetzter richtung ein dicker mann mit regenschirm. sie folgt dem mann von fenster zu fenster, während das trommeln des mannes mit den affen wieder zu hören ist. dann gibt es noch verkäufer etc… sie verlässt die verschlossenen fenster, schreitet gelangweilt durch den salon, streift mit den händen an den leeren sesseln, setzt sich ans klavier, spielt 2 noten. schritte erklingen aus dem off. sie klappt das klavier zu, steht auf.

sie hört etwas, was sie nicht sieht. und wir folgen ihr.

(im zimmer)
sie sitzt am fussende des betts, den rücken gegen die säule des baldachins. er sitzt vor dem bett auf einem tiefen sessel. sie sprechen von schriftstellern. aus dem off erklingt ein schnarchen: die zweite frau, die karten spielen wollte, ist eingeschlafen.
und so flüchten sie in den garten.
sie schaukelt, er liegt. ihr name ist charulata, wie der film, sie wird charu genannt. sein name ist amal. er hatte ihr den anstoß auf der schaukel gegeben. sie singt, ihr gesicht im auf und ab der schaukel. sie hört mit dem singen auf. man hört das knarren der seile der schaukel. er liegt im garten auf dem rücken. sie sprechen kurze wörter, wenige silben nur. kann man diese silben beschreiben? im unteren teil des bildschirms steht in gelblicher schrift (ich übersetze aus dem französischen):
was träumst du?
ich denke
was?
ans schreiben
was schreiben?
ich denke!
was?
ich denke!
wenn du denkst, dann schreib!
das heft fällt vom himmel.

sie wird nunmehr immer öfter im hintergrund stehen. hinter scheiben, hinter durchsichtigen stoffen. sie schaut. sie hört zu. oft schaut sie nicht. ihr nacken, ihr profil im hintergrund. sie hört.
oder sie ist alleine. sie hält ihre hände gefaltet, gegen dem oberen ende der brust. immer wieder. sie fasst sich mit den händen am hals. sie zerknittert mit den händen einen brief. aus dem off kommt nichts, sie zu unterbrechen.

selbst am strand braucht sie ein fernrohr, um das meer zu sehen.


charulata, indien 1964 (satyajit ray)

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