03.06.2007

#11 (wie schnee oder regen)

sie faltet geldscheine auf wie briefe (wie jemand, der selten briefe erhält, briefe auffaltet).

(vagabundieren)
ein schatten, fast quadratisch, gleitet eine straße entlang. die einstellung umfasst den ganzen schatten, der sich gleichmäßig fortbewegt: den quadratischen schatten und um ihn herum am rand des bildes die von der sonne beleuchtete straße. die schritte, die der körper, von dem dieser schatten ausgeht, setzt, schreiben sich genau in diesen quadrat ein.
sie läuft auf ihrem schatten und beschreibt aus dem off diesen schatten wie eine kröte.

i fall too easily for men, heißt es mehrmals in den untertiteln.
sie hatte sich über daté lustig gemacht, hatte dann auch gesagt (als begründung, als entschuldigung): i fall too easily for men. sie steht im garten eines tempels. sie hält ihre hände zusammen. er steht ihr gegenüber, leicht versetzt, sodass wir seinen rücken sehen, ohne dass er sie hinter sich verbergen würde. in der perspektive der kamera steht er links von ihr. mit seiner rechten hand nimmt er ihre hände, und in dem augenblick, wo er sie berührt, erhebt sich ihr ganzer körper, nur sehr leicht, nur sehr kurz (ich würde sagen: kaum wahrnehmbar, aber das sage ich wahrscheinlich zu oft).
dann drehen sie sich um (also: vor allem sie). sie laufen nach hinten, nebeneinander.

später gibt es keinen garten mehr zu sehen (doch, aber ganz am schluss, im epilog).
zweimal sehen wir sie, wie sie nachts durch einen friedhof läuft.
in der nacht sehen wir nur weiße grabsteine und ihr bleiches gesicht.

(hideko takamine)
ihr seitenscheitel, der den kopf sehr rund erscheinen lässt.
ihr buckel: ein leichtes nach vorne gebücktsein.
ihr schmollen. ihr fatalistisches heben der linken unterlippe
ihre erzählende stimme aus dem off.

(weiße buchstaben)
sie sitzt vor einem gitter aus holzstäben. hinter dem gitter, eine straße, regen. sie sitzt träumend, das eine bein ausgestreckt.
dann wird die einstellung von weißer schrift bedeckt. wie ein regen auf dem bild, denke ich.
(meistens sind es straßenszenen, in denen texte von hayashi fumiko, der von hideko takamine verkörperten dichterin, eingeblendet werden)
die weiße schrift wie regen, denke ich also bei dieser einstellung (für mich, der diese schrift nicht liest). und dann denke ich kurz an den schnee im film von resnais (coeurs - herzen) (in diesem film schneit es bei jedem übergang von einer szene in die nächste. es schneit im wohnzimmer, es schneit in der bar, es schneit im büro…). statt schnee, hier, ein niederschlag von wörter auf das bild. in weißer schrift kalligraphierte dichtung als übergang von einer station zur nächsten im vagabundierenden leben der autorin. wobei, denke ich aber sofort, schnee ein eher unpassendes bild für diese gedichte ist: wenn, dann würde es doch eher um asche gehen (sie hat ja auch vor hohen feuerflammen gestanden und gezögert, ein manuskript zu verbrennen). asche. oder staub (anderseits: im film ist nur von müll die rede, wenn es um eine beschreibung ihrer gedichte geht… garbage, wie es in den untertiteln heißt). und dabei ist diese schrift so weiß.

sie sitzt schreibend an einem niedrigen tisch (unter einer lampe).
ihr gegenüber sitzt ein junges mädchen aus der bar: ihr zarter kopf auf schmalem hals, eine breite frisur tragend, und darunter: stoffkaskaden. ihr kimono und den stoff in ihren händen, an dem sie näht.
sie spricht von fumikos schönem gesicht beim schreiben
dann gibt es andere einstellungen, nahaufnahmen.
plötzlich erhebt sich neben fumiko, unter decken verborgen, ein körper (ein anderes mädchen aus der bar). sie erhebt ihren oberkörper, im schlaf, legt sich (fällt) sofort wieder hin.

einbrechen des unerwarteten.
nach einem streit mit fukuchi: hohe flammen im kleinen garten
(kurz blitzt der name buñuel auf)

(das einbrechen der prostituierten gegen ende des films)

in einem gedicht von ihr heißt es: wie ein ball im wind.

so hatte es übrigens angefangen: ein kleines mädchen schaut in die kamera, schaut und rennt weg, flieht.


hôrôki (aufzeichnungen über mein vagabundieren) (drifting), japan 1962 (mikio naruse)

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